Warten, gucken, die Aufregung im Zaum halten — für Julia Neutze und Mii Schriefer gleicht die Fränkische Meisterschaft im Hip-Hop- und Streetdance einer Geduldsprobe. Obwohl sie zusammen mit ihren vier Freundinnen als Tanzgruppe „No Fear“ bereits zum fünften Mal in Fürth dabei sind, steigt die Anspannung vor dem Auftritt ins Unermessliche. „Die anderen Acts kann ich gar nicht richtig anschauen“, sagt die 18-jährige Mii nach dem Wettbewerb, der dieses Jahr für die sechs Tänzerinnen aus Lauf sehr erfolgreich verlaufen ist.
Bevor es richtig beginnt, stellt Moderator „Horny“ die Jurymitglieder vor, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Ausnahmsweise sind es dieses Jahr sogar sechs an der Zahl. Dabei achten die „Judges“, wie die Richter im Sprachgebrauch der Szene genannt werden, nicht nur auf die Tanztechnik der Künstler, sondern ebenso auf die Synchronität der Bewegungen, die Authentizität der Tänzer und die Auswahl der Musik. Wichtig sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Songs, zu denen die Hip-Hopper, Streetdancer und Freestyler ihre Hüften schwingen. Tempowechsel gut zu überstehen oder in einer Formation die Position zu tauschen und sich dabei nicht auf der Bühne über den Haufen zu rennen — so was muss klappen, wenn man eine Chance auf den Sieg haben möchte.
Der erste Beitrag der fünf Nürnbergerinnen „Lost Souls“ zeigt zudem, dass es beim Tanzen auch auf Emotionen ankommt. Schmerzverzerrte Gesichter, kraftvolle Bewegungen und explosive Schrittfolgen reißen das Publikum mit. Die folgenden Auftritte fallen dagegen etwas ab. Was alle gemein haben, sind wieder einmal schrille Outfits getreu dem Motto, „Auffallen ist alles“. So stehen heuer silberne Stiefel, orangene Fußball-Kniestrümpfe und bunte Masken im Fokus. Auch die Showeinlagen, die zwischen den Tanzblöcken das Publikum weiter anheizen sollen, setzen auf Skurriles. Der Michael-Jackson-Imitator „ceM.J.“ betritt gar in goldener Motorrad-Kluft die Bühne, ehe er sich von seinen Assistenten ausziehen lässt. Das Gesangsduo „Alesia & Jason“ hingegen versucht, mit einem Zusammenschnitt aktueller Chart-Hits den Hallplatz zum Kochen zu bringen. An achter Stelle schlägt dann endlich die Stunde für „No Fear“.
Jede Tänzerin trägt die Grundfarben Weiß und Rot. Die Übergänge stimmen, keinem Mädchen geht die Puste aus. Ein paar Minuten hüpfen, steppen, kreisen und — nicht vergessen — immer lächeln, dann ist der Auftritt auch schon vorbei. Es folgen zwei weitere Gruppen, ehe sich die Jury zur Beratung zurückzieht. Banges Warten. Erst als die „Judges“ zusammen mit „Horny“ und der Veranstalterin Sabine Tipp vom Jugendkulturmanagement „con-action“ die Bühne betreten, ist die Entscheidung gefallen. Während die Abgeschlagenen mit hängenden Köpfen ihre Urkunden entgegennehmen, freuen sich die Tänzer von „Phuum Crew“ über den dritten Platz und das Lob: „Ihr habt euch mächtig gesteigert.“
Als „Lost Souls“ mit dem zweiten Rang ausgezeichnet wird, kreischen Julia, Mii und ihre Freundinnen bereits vor Freude. Der Titel ist ihnen zum zweiten Mal nach 2009 sicher. „Bei ,No Fear‘ hat alles gestimmt“, begründet Jurymitglied Spike die Entscheidung. Gruppendynamik und Gemeinschaft hätten bei den Lauferinnen den Ausschlag gegeben. „Wir denken uns alles selbst aus“, sagt Julia nach der Siegerehrung. Die Tänzerinnen, die schon seit mehr als zehn Jahren trainieren, kommen ohne Trainer aus, was ebenfalls Eindruck bei der Jury hinterließ.